31.01.2020

Handwerkermangel in Deutschland

 

Eine Chance für den Baumarkt

veränderte Zielgruppen - mobile Generalisten - Fach-Handwerker - notwendige Sortimentsveränderungen


AM ANFANG WAR DER FACHKRÄFTEMANGEL

 

Der Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks Hans Peter Wollseifer schätzt die Zahl der offenen Stellen im Handwerk auf 250.000. Das Resultat: Die Auftragsbücher sind voll, die Wartezeiten für den Kunden sind lang, die Kosten für den Kunden steigen. Dabei kommen die wachsenden Kosten aber nicht automatisch beim Handwerker an. Staat, Sozialkasse und Meister teilen gerne wachsende Gewinne. Die niedrigen Löhne sind dann nicht unbedingt die Einladung für den Nachwuchs im Handwerk. Die demographische Entwicklung der sinkenden Kinderzahlen und Schulabgänger tut ihr übriges. Es bleiben jährlich rund 15.000 bis 20.000 der Lehrstellen im Handwerk unbesetzt. Zudem sinkt die Qualität der Azubis, da sich inzwischen fast 60 Prozent der Schulabgänger eines Jahrgangs für die akademische Ausbildung entscheiden.

 

250.000 offene Stellen im Handwerk

Zudem fehlen 20.000 Lehrlinge

 

OSTEUROPÄISCHE GENERALISTEN HELFEN IN DER NOT

 

Angesichts voller Auftragsbücher steht der Austausch eines defekten Wasserhahns beim Verbraucher eher unten auf der To-do-Liste der etablierten Meisterbetriebe. Obendrein bildete die Reform der deutschen Handwerksordnung im Jahr 2004 mit dem Entfall der Meisterpflicht die Basis für die weitere Entwicklung für die Ausübung vieler Handwerke. Ein neuer Typus von Handwerkern hat sich als Konsequenz etabliert. Mobile Generalisten (White Van Men / Van People), häufig aus Osteuropa, bieten Ihre Dienste preiswert und zuverlässig an. Diese Kleinbetriebe verzichten auf eine eigene Werkstatt, können somit ihren eigenen Kostenapparat deutlich senken und geben diese Kostenvorteile dann an ihre Kunden weiter.

 

Der Branchen-Experte Klaus Peter Teipel spricht von aktuell 250.000 bis 300.000 handwerklichen Generalisten in Deutschland. Bereits 2015 errechnete die Hagebau in einer Studie den Umsatz der mobilen Generalisten auf erstaunliche 14,7 Milliarden Euro. Damit lag der Marktanteil der mobilen Generalisten bereits bei 25 Prozent aller Handwerksbetriebe innerhalb der Baubranche – Tendenz steigend. Schätzungen gehen davon aus, dass die Van People im Jahr 2020 knapp 20 Mrd. Euro umsetzen werden

 

Das Problem der mobilen Generalisten: Es gibt selten eine in Deutschland eingetragene Firma, zum Teil auch keinen festen Wohnsitz in Deutschland. Damit bekommt diese Kundschaft häufig kein Kundenkonto beim Fachhandel. Gleichfalls sind die osteuropäischen Handwerker sehr baumarkt-affin. Vorurteile gegenüber der vermeintlich schlechteren Qualität von Baumarkt-Produkten gibt es hier nicht. Damit werden die mobilen Generalisten als Zielgruppe für die Baumärkte zunehmend interessanter.

  

250 - 300 Tod. mobile Generalisten in Deutschland

 

CHANCE NUMMER 1

 

Bedingt durch den feststellbaren Trend auf Seiten privater Endverwender zum Do-It-For-Me werden immer mehr Projektarbeiten rund um Haus und Garten an Dritte vergeben, i.d.R. auch an Kleinstunternehmen oder Einzelkämpfer. Die konzeptionelle Zuwendung der Baumarktbetreiber zu dieser Zielgruppe wird bei der demographischen Entwicklung zur unumgänglichen strategischen Notwendigkeit. Das kann auch zu Kooperationen führen, wie Kontaktvermittlung über Visitenkartenstände oder aber auch organisierten Begegnungs-Events auf dem Baumarkt-Parkplatz

 

Foto Marc Kreisel

 

 2. NOCH EINE LOGISCHE KONSEQUENZ

 

Sind alle Handwerksbetriebe ausgebucht und der Endverbraucher ist nicht willens oder fähig die Leistung selbst zu erbringen, dann steigt die Anzahl der „Nachbarschaftshilfe-Leistungen“. Diese Annahme widerspricht zwar der aktuellen rückläufigen Statistik zur Schattenwirtschaft, Die Schwarzarbeit ist jedoch nur ein Teil davon. Daraus resultierende Umsatzeinbußen der Handwerksbetriebe wie in den vergangenen Jahren dürften sich jedoch aufgrund der Auslastung drastisch minimiert haben.

 

Es wird in wachsendem Maße zu Angeboten an die kompetenten Lehrlinge und Gesellen, am Wochenende „nebenbei zu arbeiten“ kommen. Vielleicht sogar mit Wissen des Meisters. Die Nachfrage ist einfach zu hoch und die Möglichkeit zum schnellen Euro und der Aufbesserung des eher spärlichen Salärs wird einfach zu attraktiv werden. Diese Klientel ist jedoch im Fachhandel bekannt. Die Gefahr von Neid und Mitwissern über die Nebeneinkünfte ist groß. Der Baumarkt dagegen bietet den anonymen Einkauf und die Möglichkeit des gemeinsamen Einkaufs mit dem Kunden, der dann auch gleich alles direkt bezahlen kann.

 

Eigentlich eine perfekte Ausgangslage, denn der Baumarkt war schon immer auch an den Umsätzen des Fachhandels interessiert. Die Präsenz von Handwerkern im Markt werten obendrein das eigene Image auf. Wenn nun die Lehrlinge und Gesellen vermehrt zur Zielgruppe gehören sollen, dann muss sich der Baumarkt in der Leistung anpassen. Die längeren Öffnungszeiten sind jetzt schon ein klares Argument für die Zielgruppe zum Besuch der Baumärkte. Man kann eben auch nach der Arbeit um 18/19 Uhr noch Ware einkaufen oder bestellte Ware abholen.

 

Lehrlinge  und Gesellen werden viele Angebote für Samstag und Sonntag bekommen. Die arbeiten gerne mit Ihnen bekannten Produkten.

 

 

CHANCE NUMMER 2

 

Die wichtigste Veränderung und die Chance für den Baumarktbetreiber liegt jedoch in der Sortimentsadaption, denn der Fachhandwerker greift gerne zu den Produkten des Vertrauens, die auch unter der Woche verarbeitet werden; also den Fachprodukten. Es macht daher Sinn sich als Baumarkt um eine Sortimentserweiterung von Produkten zu bemühen, die bisher weniger im Fokus standen, weil diese für den DIYler schwierig zu verarbeiten waren. Ferner ergibt sich für die Markenartikler die Chance dem Fachhandwerker über einen weiteren Kanal mit den Fachprodukten näher zu kommen. Natürlich mit allen Schwierigkeiten, die so eine Kanalerweiterung so mit sich bringt .

 

Gut ausgebucht:

Die OBI Projekt-Werkstatt.

 

 

DAS EINE TUN, DAS ANDERE NICHT LASSEN

 

Der Trend geht aktuell weg von „Do-it-yourself“ hin zu „Do-it-for-me“. Und trotzdem: Der Deutsche wird mangels Handwerker wieder selbst machen müssen .

 

 

CHANCE NUMMER 3

 

Es ist eine Chance für die Baumärkte sich intensiv dem Thema „Hilfe rund um das Projekt“ zu kümmern. Ziel ist es dem Kunden mit einer Befähigung die Angst vor dem Start und dem Misserfolg zu nehmen. Hierbei kann und muss der Markenartikler maßgeblich mit inhaltlicher Kompetenz unterstützen. Der Baumarkt übersetzt in die Kundensprache und leitet in Kanäle aus. Auf das große Thema PROJEKT gehe ich aber in einem späteren Artikel konkreter ein.

 

 

ZUSAMMENGEFASSTE CHANCEN

 

1. Van People als Zielgruppe ernst nehmen und Kontakt zu Endverbrauchern unterstützen.

2. Fachhandelssortimente für den Handwerker lagerseitig listen und führen.

3. Projekt-Ausbildung von Endkunden.


Vielen Dank DIY Fachmagazin für die Abbildung des Original Artikels.

DIY Heft Januar 2020

 


  

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